DIE ZEIT / 05.2007
Was bewegt ... - Joachim Steinhöfel?
Rüpel aus Leidenschaft
Gnadenloser Rechtsanwalt und schrille Werbefigur für die Media-Markt-Kette erledigt er gleich zwei Jobs. Kaum jemand kultiviert das Image des Raubeins so erfolgreich wie er Wer sein Leben ausrichtet zwischen "Ich bin doch nicht blöd" und "Wie du beim Sterben gelebt zu haben wünschtest, so sollst du schon jetzt leben", der muss ziemlich durchlässig sein, für alles. Oder extrem bescheuert. Ein Leben im Irgendwo zwischen schrillen Media-Markt-Sprüchen und dem römischen Philosophenkaiser Marc Aurel, au Backe!

Joachim Nikolaus Steinhöfel ist so ein Mensch. Er ist Rechtsanwalt und gleichzeitig Werbeträger für den Elektronikhändler, der wegen seiner aggressiven Marketingmethoden derzeit heftig von Verbraucherschützern kritisiert wird.
Darüber hinaus ist er noch Moderator, Sänger und Arschloch. Ja, dass kann man wohl so sagen. Weil Steinhöfel es des Öfteren über sich selbst gesagt hat: "Natürlich bin ich ein Arschloch" (stern Nr. 3/00), "Jetzt macht das Arschloch auch noch eine CD" (GQ Nr. 8/00), "Ich, das Arschloch, habe eine zauberhafte Freundin" (Playboy Nr. 5/00).
Dabei hat Steinhöfel ein ganz glattes, reines Gesicht, erstaunlich faltenfrei. Wie eine unbefahrene Straße, nur mit zwei winzigen Schlaglöchern unter den Augen, allein mit den Tränensäcken hat das Leben darin Spuren hinterlassen. Wenn er spricht oder herrisch doziert, scheint es, als rede der untere Teil des Gesichts völlig emotionslos. Auf keinen Fall wird er seiner Mimik erlauben, Schicksalsfalten auf seine hohe Stirn zu meißeln.
Geboren wurde Steinhöfel 1962, als Sohn eines VW-Managers und einer Abgeordneten der Bremer Bürgerschaft. Er wuchs in Bremen auf. Gediegen, bildungsorientiert, leistungsstark. Die Mutter erwarb auf dem zweiten Bildungs-weg das Abitur, dann kam das Juraexamen, trotz zweier Kinder, Mann und Haushalt. Seine Eltern predigten nie:
Das kannst du! Sondern, stärker: Das musst du können! Ein Leistungsverweigerer hätte es in dieser Familie schwer gehabt. Welche Leistung, ist zweitrangig, aber verlass dich bloß nicht auf die Solidargemeinschaft oder gar auf dein Erbe.

"Wenn Kollegen mein Tun ablehnen, ist mir das egal"

Nach dem Abitur frönt Steinhöfel eine Zeit lang seiner Leidenschaft, dem Segeln, ist bei Welt- und Europameisterschaften vorn dabei. Dann habe ihn sein Vater gefragt, warum er nicht Jura studiere, weil er damit alles machen könne, sagt er. "Das habe ich dann auch getan. Ohne lange hin- und herzuüberlegen", so Steinhöfel. "Jura. Peng. Fertig."
Während der sechs Jahre Universitätsstudium verdient er nebenbei sein Geld als Radiomoderator und Musikzeitschriftenautor.

1989 gründet er eine eigene Kanzlei in Hamburg, zwei Jahre später hat er seine beiden größten Kundenfische an Land gezogen: Die Handelsketten Media Markt und Saturn gehören bis heute fest zu seiner Mandantschaft. Daneben, weiterhin, der Ausgleich zum Schwarze-Roben-Tragen: Steinhöfel provoziert in den Haudrauf-Sendungen Achtzehn 30, Die Redaktion und Kreuzfeuer. Es sind Klassenfahrten-Pöbelshows, deren plumpe und bösartige Tonalität junge Männer gut finden, die Tropical Duftbäumchen in ihre Autos hängen, beim Bankdrücken 120 Kilo schaffen und den Gebrauch des Genitivs für eine ziemlich alberne Kulturattitüde halten. Und so bot es sich an, dass der Media Markt seinen Hausjuristen auch als Werbestar engagierte. "Als wir Joachim Steinhöfel trafen, war das Unternehmen einfach, simpel und mittelständisch", erzählt Walter Gunz, einer der drei Unternehmensgründer von Media Markt und als Branding-Chef verantwortlich für alle Steinhöfel-Werbekampagnen. "Wir suchten einen Rechtsanwalt, der genau so war: unverstellt von Akten, aber kämpferisch, originell, glaubwürdig. Und eines Tages, bei einem Strategie-Meeting in Venedig, haben wir beschlossen, diese seltene Authentizität, die ihn ausmacht, auch für die Außenwahrnehmung zu nutzen. Steinhöfel sagt, was er denkt, und macht, was er sagt. Werbung muss nicht allen Leuten gefallen, sie muss nur auffallen. Und ähnlich ist es auch mit der Branding-Strategie:
Sie musste witzig-provokativ sein, aber nicht unbedingt so lieb, dass sie meiner Mutter gefallen hätte." Mit einem strengen "Moooment" und "Gut, dass wir verglichen haben" wurde Steinhöfel bundesweit bekannt als impertinente Werbefigur eines als billig geltenden Elektronikfachmarktes. Die Werbung ist laut, schnell, aggressiv, jung und macht jeden zum Spießer, der sich fragt: "Da stört ein grünhemdiger Anzugträger ein sich dem Beischlaf hingebendes Pärchen mit der intelligenten Aufforderung: Shoppen statt poppen. Was, bitte schön, ist daran witzig?" Wer den Scherz sucht, ist im selben Moment genau dazu geworden. Zum Spießerfrager-Scherz.

"Ich kann ziemlich schnell erkennen, wie ein Verfahren ausgeht."

"Wenn Kollegen mein Tun ablehnen, ist mir das egal", sagt er. Mit einer fast zwanghaften Angst versucht der Jurist, bloß nicht routiniert zu werden, bloß nicht gediegen, alt, kalkulierbar. Und wird mit dieser Masche ziemlich routiniert, kalkulierbar, auf eine Art auch ziemlich gediegen. Vorbilder? George Bush und Tony Blair. "Weil sie die Gefahren und die Herausforderungen unserer Zeit erkannt haben. Die teilweise erheblichen Fehler in der Umsetzung ihrer Strategie werden im historischen Rückblick unbeachtlich erscheinen."

Seine Arbeitsmaxime lautet: "Dissens ist wunderbar, Konsens Mehltau."

Und wo, bitte schön, hat Marc Aurel in diesem Leben Platz? Mitten drin! Steinhöfel hat ein Taschenbuch mit sämtlichen Aphorismen des römischen Kaisers durchgearbeitet, säuberlich hat er wichtige Stellen unterstrichen und vorn im Buch noch einmal extra notiert. Verleihen tut er das Buch nur ungern. "Aber wissen Sie was, ich hab da eine Idee." Er greift zum Hörer und befiehlt seinen rechtsanwältlichen Sozius herein zu sich ins Büro, der soll doch bitte mal ein paar Seiten mit seinen unterstrichenen Maximen kopieren. Es ist Freitagabend, und als gäbe es keine schönere Art, den Feierabend einzuläuten, macht sich der Adlatus dran und kopiert. Emsig.

Später kann man dann in Ruhe nachlesen, was Steinhöfel so wichtig ist, dass er das Buch auf gar keinen Fall verleihen möchte: "Wie bald, und du bist Asche und ein Knochengerippe und nur noch ein Name. Was hält dich also noch hier auf Erden? Dein Seelchen, was ists aber anderes als ein Ausdampfen des Blutes? Warum siehst du nicht mit heiterer Miene deinem Erlöschen, deiner Umwandlung entgegen? Was anderes, als die Götter zu ehren, den Menschen zu ertragen oder zu meiden und zu bedenken, dass alles, was außerhalb der engen Grenzen einer Sphäre liegt, weder dein ist noch von dir abhängt."

Das Seelchen Steinhöfel beherzigt es, so gut es kann. Es geht joggen und angeln und lässt regelmäßig seine Cholesterinwerte kontrollieren, so als gehörte ein 44-jähriger, schlanker, Grüntee trinkender Sportfanatiker zur Hauptrisikogruppe bei Blutdruckkrankheiten und Herzgefäßschäden. Es hat seinen Besuchern im Wartezimmer Erich Kästner hingelegt. Emil und die Detektive "ich find das passend". Und es ist sich auch nicht zu cool-männlich, einen Plüsch-Käptn-Blaubär in seinem Dienstzimmer zu drapieren. Das Seelchen Steinhöfel fragt Besucher, wenn sie sich für den Menschen Steinhöfel interessieren, ununterbrochen: Ist Ihnen zu kalt? Soll ich das Fenster schließen? Die Heizung aufdrehen? Möchten Sie noch einen Kaffee? Oder Capuccino? Eine fast erdrückend fürsorgliche Gastfreundschaft.

Nur der Mensch Steinhöfel, der tut alles, um nicht aus der Rolle zu fallen, aus der Rolle seines Lebens, aus der Rolle des Arschloches.

Als Hausjurist der Media-Saturn-Holding, dem größten Elektronikhändler im Land, mahnt er Konkurrenten ab, als gelte es, einen Rekord zu brechen.
Genaue Zahlen will er nicht nennen, und spricht man ihn auf seinen Abmahnungswahn an, dann hat er schnell auch wirklich skandalöse Beispiele parat.
Es könne nicht angehen, sagt er, dass mittelständische Unternehmen für einen Spottpreis ihre Elektrowaren verhökern, aber beim Porto einen zigtausendfachen Satz draufschlagen, um im Endeffekt eben doch nicht der billigste Anbieter bundesweit zu sein.

Gleichzeitig erzählt er von seinem außerordentlichen Talent, selbst schwierigste Fälle für seine Mandantschaft zu lösen. Es sind solche kleinen Episoden, die einen nachdenken lassen, ob nicht zuweilen das Arschloch in Steinhöfel ein bisschen zu viel zu melden und sein
Seelchen Stubenarrest hat.
1995 zum Beispiel wollte die Telekom Konkurrenzfirma TopWare öffentlichkeitswirksam eine Telefonbuch-CD auf den Markt bringen. War verboten, das wussten beide Seiten. Aber wie gelingt es trotzdem, das Produkt ungefähr vier Wochen lanf auf dem Markt zu halten, lange genug, um damit richtig Geld zu verdienen? "Man erhebt eine negative Feststellungsklage", sagt Steinhöfel ruhig. "Die Idee war damals genial. Ich habe dem Gericht dargelegt, dass es für den Fall örtlich unzuständig war. Damit hat der Mandant vier Wochen Zeit gewonnen und konnte das Produkt absetzen. Danach war das Verbot des Produktes wirtschaftlich nicht mehr so schwerwiegend."

Dank seiner durfte Media Markt sogar halbe Schweine verkaufen.

War es nicht unmoralisch, die vier Wochen herauszuschlagen? Alle Beteiligten wussten doch, dass es nicht rechtens ist, die CD auf den Markt zu bringen? Bei der Frage wird Steinhöfel fünsch. Die Beine schnellen zusammen, der Oberkörper beugt sich über den Schreibtisch, die Hände gestikulieren, die Sätze werden noch abgehackter, modulierter, schneller. Auf einmal ist es wirklich kalt in Steinhöfels Büro. Aber jetzt bleibt das Fenster offen.

"Ich kann ziemlich schnell erkennen,
wie ein Verfahren ausgeht", sagt er. "Das ist meine Stärke." Und: "Ich habe das Wettbewerbsrecht in den letzten zehn Jahren mehr geprägt als jeder andere Anwalt in Deutschland."

Ist Steinhöfel mehr Anwalt oder mehr Medienstar? Mehr Arschloch, mehr Seelchen? "Unterschätzen Sie seine anwaltlichen Fähigkeiten nicht", sagt Media-Markt-Chef Gunz. "Er hat für uns bis zum Bundesverfassungsgericht gestritten, dass wir als kreatives Kombiangebot halbe Schweine und Tiefkühlgeräte verkaufen durften. Und mit genauso viel Verve kann er einer schönen Cabrio-Fahrerin an der roten Ampel ihren Hamburger abluchsen, wenn er Hunger hat. Das mag ich an ihm."

Fragt man juristische Kollegen und bittet sie um eine fachliche Einschätzung, hat man es schwer. Hmmm, wissen Sie, Herrn Steinhöfel kenne man eigentlich gar nicht. Ach, und im Übrigen sei es nicht die feine Art, sich vor Fachfremden über Kollegen zu äußeren. Nun, Juristen sind nicht unbedingt für Plaudertaschenrhetorik bekannt. Aber "manchem stößt schon auf, wie unkonventionell sich der Herr Steinhöfel in unserer Welt bewegt", sagt einer der sich natürlich nicht namentlich zitieren lassen möchte. "Vor der Presse gebe ich grundsätzlich keine Einschätzungen."
Schon klar.

Nur einer äußert sich zu dem Leben als Balanceakt, wie es auch Steinhöfel führt mit seinem Versuch, den bissigen Anwalt und gleichzeitig eine provokative Werbefigur abzugeben, eine Mischung aus unkonventionell und ernsthaft zu sein, aus Versuch und Irrtum: "Es kommt nicht darauf an, über die notwendigen Eigenschaften eines guten Mannes dich zu besprechen vielmehr ein solcher zu sein." Das hat Marc Aurel gesagt. Aber der ist schon ein Weilchen tot.

Von Katrin Wilkens

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