BGH revolutioniert Praxis der Werbung in Preissuchmaschinen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einer Entscheidung vom 11.03.2010 den Markt der Preissuchmaschinen (PSM) und deren Nutzung durch Händler vor fast unüberwindbare Hindernisse gestellt. Wer sich rechtmäßig zu verhalten beabsichtigt, wird die Nutzung von PSM vorübergehend faktisch einstellen müssen.
Das von uns für die Klägerin vor dem LG Berlin (Klagabweisung) und dem Kammergericht (Abänderung des Landgerichts und Klagstattgabe) betriebene Verfahren führte gestern zu einem die Entscheidung des Berufungsgerichts und damit unserer von Anfang an vertretenen Rechtsauffassung bestätigenden Urteil des BGH, I ZR 123/08.
Der Beklagte stand mit dem von ihm für eine Espressomaschine geforderten Preis von 550 € unter 45 Angeboten bei idealo.de an erster Stelle, und zwar auch noch um 20 Uhr, obwohl er den Preis für die Espressomaschine drei Stunden zuvor auf 587 € heraufgesetzt hatte.
Der BGH erachtet mithin ein auch nur recht kurzes Auseinanderfallen von gefordertem Preis und Aktualisierung auf der PSM als rechtswidrig.Wir teilen diese Rechtsauffassung. Die Lösung für die auf der Hand liegenden Problemfälle sieht der BGH so:
“Den Händlern ist es…zuzumuten, die Preise für Produkte, für die sie in einer Preissuchmaschine werben, erst dann umzustellen, wenn die Änderung in der Suchmaschine angezeigt wird.”
Eine jedenfalls derzeit noch praxisferne Vorstellung.
Es mag zwar mit teilweise enormem Aufwand möglich sein, diese Vorgabe umzusetzen, wenn man mit lediglich einer PSM kooperiert. Fast jeder Händler ist jedoch bei einer Reihe von PSM gelistet, deren Aktualisierungsintervalle erheblich voneinander abweichen, teilweise außerordentlich unkoordiniert sind und in der Regel auch keinem verlässlichen Zeitplan folgen.
Dies führt zunächst zu einer erheblichen Einschränkung der Möglichkeit von Preiserhöhungen, weil das Aktualisierungsintervall der „langsamsten“ PSM den Händler mit seiner Preisheraufsetzung bindet. Er muss abwarten, bis der erhöhte Preis dort erscheint. Dies dauert bei einigen PSM mehrere Tage. Es wäre zwar eine zeitlich individuell an die Aktualisierungsintervalle gestaffelte Information der PSM über die Preisheraufsetzung denkbar. In der Praxis ist dies jedoch faktisch unmöglich, da der BGH keinerlei Karenzzeit billigt ! Informiert der Händler alle PSM gleichzeitig, muss er bei den schneller aktualisierenden Anbieter eine Herabstufung in der Rangliste in Kauf nehmen, obwohl er den Preis erst dann tatsächlich heraufsetzen darf, wenn die langsamste PSM aktualisiert hat.
Im Ergebnis verstößt damit jeder Händler im Moment der Preisheraufsetzung bei gängiger Praxis gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften.
Die einzige gangbare Lösung wäre eine massive und kostenintensive IT-Aufrüstung der PSM, die eine Preisaktualisierung in sehr kurzer Frist (zB alle 15 Minuten oder noch schneller) bei sich umsetzt.
Ich sehe im übrigen keinen Grund, warum die hier erörterten Grundsätze nicht ebenso auf andere, wettbewerblich relevante Sachverhalte wie geänderte UVPs, Warenvorrätigkeit usw. angewendet werden sollten.
© Joachim Nikolaus Steinhöfel 2010